Am Dienstag, den 5. Juni um 18.00 Uhr findet die 36. Diskussion der Reihe der VERITAS-Abende in der Aula des Gebäudes der Budapester Wirtschaftsuniversität, Markó-Straße 29-31 mit dem Titel „Politik” der Begnadigung 1945–2016 statt. Als Moderator wirkt der stellvertretende Generaldirektor des Instituts, Endre Marinovich, mit. Das Thema wird von der Vorsitzenden des Nationalen Gedenkkomitees, Réka Földváry-Kiss, sowie vom Archivleiter bei VERITAS, Tibor Zinner, dargelegt.
Ort: Budapester Wirtschaftsuniversität, 1054 Budapest, Markó-Str. 29–31
Zeitpunkt: Dienstag, 5. Juni 2018, 18.00 Uhr
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„Der Knüppel ist eine primitive Waffe, das Gewehr ist eine weiter entwickelte Waffe, die beste Waffe aber ist das Gericht” – sagte der (später wie üblich hingerichtete) sowjetische Generalstaatsanwalt Krylenko. Ja, Moskaus Günstlinge haben nach dem zweiten Weltbrand in der durch die Sowjetunion beaufsichtigten Region östlich der Elbe zur Erlangung und Erhaltung der Macht, mehr noch: zu deren Zurückerlangung in Ungarn sowie zur restlosen Verwirklichung ihrer kurz- und langfristigen Ziele im Laufe des Alltags die Maschinerie der Justiz zum Diener der Politik herabgewürdigt und Hunderttausende aus dem Lager der Hundert Millionen Menschen zählenden versklavten Nationen in den Dreck gezogen, da sie ein Arsenal unterschiedlichster Instrumente der Gefangenschaft einsetzten.
Nachdem die Zellen des Strafvollzugs und die Arbeitslager gefüllt waren und auf Hochtouren liefen, führte man von Zeit zu Zeit „Arrestsäuberungen” durch. Bis 1989 konnten in Ungarn die unschuldig zur Verantwortung gezogenen und somit gesetzwidrig verurteilten Personen sowie die Internierten im überwiegenden Teil der Fälle aufgrund von Gesetzen, Verordnungen mit Gesetzeskraft, Beschlüssen des Präsidialrates der Volksrepublik sowie von Fall zu Fall durch Maßnahmen individueller Begnadigungen auf freien Fuß gesetzt werden. Die verschiedenen Begnadigungsmaßnahmen bedeuteten allerdings in der großen Mehrheit der Fälle nicht Vergebung durch die Macht, sondern das Eingeständnis, dass für die Verurteilten der von der Staatsmacht begangenen weiteren Gesetzwidrigkeiten Platz geschaffen wurde. Eine einzige typische Angabe, um das alles zu untermauern: Hätte man im Februar 1956 genügend Plätze in den Zellen gehabt, so hätten 54000 Menschen gleichzeitig ihre Freiheitsstrafe verbüßen müssen. Die Kapazität lag aber genau bei der Hälfte davon.
Nach all dem kann es nicht als Zufall bezeichnet werden, dass zur Zeit der Wende zwei, danach weitere drei Nichtigkeitsgesetze erforderlich waren, um für die frühere Verletzung menschlicher Freiheitsrechte irgendwie Abhilfe schaffen zu können. Die Zahl der zu Recht verurteilten Gemeinverbrecher und der unschuldig bloßgestellten Hunderten unter den 1234 Personen, die zwischen Februar 1945 und dem Sommer 1988 nach rechtskräftiger Strafe durch die ungarische Rechtsprechung hingerichtet wurden, verpflichtet uns dazu, dass wir uns der Vergangenheit aufrichtig stellen.