Ort: 535600 Oderhellen/Székelyudvarhely/Odorheiu Secuiesc/RO, Internat des Áron Tamási- Gymnasiums, József-Nyírő-Saal, Márton Áron-Pl. 4
Zeitpunkt: Dienstag, 25. September 2018, 18.00 Uhr
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Die Doktrin der Heiligen Krone – kurz zusammengefasst
Die Geschichte der Heiligen Krone gerät in diesem Jahr durch einen Jahrestag in den Vordergrund: Es ist nämlich 40 Jahre her, dass dieses Symbol der konstitutionellen staatlichen Kontinuität des Landes aus den Vereinigten Staaten von Amerika heimkehrte. Den Begriff „Symbol” verwenden wir absichtlich schon hier in den einleitenden Zeilen, denn für uns Ungarn gibt es neben der „sichtbaren” Krone auch eine andere, sie umgebende „unsichtbare” Krone. Die unsichtbare Krone bedeutet die Gesamtheit der Gedanken, die die ungarische Heilige Krone verkörpert. Aus verfassungshistorischer Sicht ist unter ihnen die sogenannte Doktrin der Heiligen Krone am wichtigsten. Mit ihr befassen wir uns im Folgenden.
Wodurch unterscheidet sich die Idee der Heiligen Krone von ihrer Doktrin?
Diese beiden Begriffe werden auch im selben Sinne benutzt, unseres Erachtens ist es allerdings richtiger, sie voneinander zu trennen. Die Idee der Heiligen Krone umfasst die Symbolik der Krone – sehen wir hier davon ab, seit wann überhaupt die ungarische königliche Krone als heilig betrachtet werden kann. In den Ermahnungen des Königs Sankt Stephan (1001–1038) an seinen Sohn Prinz Emmerich zum Beispiel erscheint die Krone als Symbol der irdischen königlichen, aber auch der himmlischen, ewigen Macht. Die Heilige Krone selbst symbolisierte später auch das Staatsgebiet, oft treffen wir auf den Begriff: „die Länder der Heiligen Krone”. All das haben wir freilich nur als Beispiele genannt, eine umfassende Behandlung der Kronen-Symbolik können wir hier nicht vornehmen.
Den erwähnten Symbolen gegenüber ist die Heilige-Krone-Doktrin eine staatsrechtliche („verfassungsrechtliche”) Doktrin, deren erste Formulierung auf den obersten Landesrichter István Werbőczy (um 1458–1541) zurückgeführt wird. Die Doktrin geht davon aus, dass der König und die Nation den ungarischen Staat bilden. (Die Zugehörigkeit zu der Nation wurde damals nicht durch die Muttersprache determiniert, sondern dadurch, ob jemand Adelige/r war oder nicht.) Die zwei persönlichen Komponenten des Staates – der König und die Nation – bilden zusammen den „ganzen Körper der Heiligen Krone”. Die oberste Macht steht dem gesamten Körper der Heiligen Krone zu. Daraus folgt zum einen, dass nach dem Recht der Krone auch die Mitglieder der Nation an der Ausübung der Staatsmacht teilnehmen; zum anderen, dass der König seine Macht nicht nach seinem eigenen Recht, sondern nach dem Recht der Krone innehat. Die Krönung war bei uns also kein formeller, sondern ein staatsrechtlicher Akt: Durch die Krönung wurde die königliche Macht von der Krone auf den König übertragen. Das wesentliche Element der Doktrin besteht also in der Gewaltenteilung, die einen alleinherrschenden König, einen Despoten (oder in modernem Sinne: einen derartigen „Präsidenten der Republik”) nicht anerkennt […]