Am Dienstag, den 8. Januar um 18.00 Uhr findet die 40. Debatte der Reihe der VERITAS-Abende mit dem Titel Die Regentschaft des Königs Karl IV. 1916–1918 statt. Unter der Moderation von Forschungsgruppenleiter Róbert Hermann diskutieren die Historiker Ferenc Maczó und Dávid Ligeti über das Thema.
Ort: VERITAS Institut für Geschichtsforschung, 1093 Budapest, Zsil-Str. 2–4, EG
Zeitpunkt: Dienstag, 8. Januar 2019, 18.00 Uhr
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Zwischen dem 21. November 1916 und dem 13. November 1918 lenkte Karl IV. (Karl I. als österreichischer Kaiser) die Österreichisch-Ungarische Monarchie. Nach dem Tod des betagten Franz Joseph I. machte sich der 29 Jahre alte Karl sofort an die Umgestaltung der politischen Elite der Monarchie. Der neue Herrscher löste innerhalb einiger Monate fast sämtliche bedeutenden Führungspersönlichkeiten des Reiches ab und als Abschluss dieses Prozesses auch den ungarischen königlichen Ministerpräsidenten István Graf Tisza. In diesen Monaten erhielt er den Beinamen Karl der Plötzliche, der auch für das Motto des Abends sorgte. Dieses Attribut charakterisierte die Taten des jungen Herrschers, die nicht nur in der Innenpolitik sichtbar wurden. Inmitten des Ersten Weltkriegs, als die Lage der Mittelmächte bei weitem nicht hoffnungslos war, startete Karl die wichtigste Initiative zum Friedensschluss im Weltbrand, die als Sixtus-Mission in die Geschichte einging. Der friedliebende Herrscher wollte den Krieg nicht nur beenden, sondern begann auch mit aktiven Reformen.
Karls Krönung zu Ungarns König, die das letzte Zeremoniell dieser Art war, zeigte am 30. Dezember 1916 noch für einen fast letzten Moment die Kraft und den Ruhm des alten Ungarn. Wer dieser Zeremonie beiwohnen durfte, hielt die Königskrönung in der Budaer Burg unabhängig von seiner politischen Einstellung für eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens.
Die weniger bekannten Modernisierungsversuche von König Karl IV. blieben unvollendet, allerdings übernahmen auch spätere Politiker viele Elemente von ihm. Karl führte 1918 die erste Kindererholungsaktion durch, die später zu einer der wichtigsten sozialen Maßnahmen der Föderativen Ungarischen Sozialistischen Räterepublik wurde, nachdem die bolschewistischen Führer geleugnet hatten, dass sowohl die Idee als auch die erste praktische Ausführung von Karl stammten. Karls Führungsstil wich radikal von Franz Josephs Praxis ab, denn er war ein sog. Herrscher in Bewegung. In den zwei Jahren seiner Herrschaft legte er 80.000 km an den Fronten und im Hinterland zurück und warf auch die Frage einer Korrektur des dualistischen Systems auf. In den ersten Tagen seiner Herrschaft übernahm er die Funktion des Oberbefehlshabers der Armee der Monarchie und verwirklichte zahlreiche Militärreformen. Er strich die Disziplinarstrafen des Ankettens und Anbindens und gewährte den politischen Gefangenen Amnestie. In der militärischen Verwaltung sorgte er dafür, den Gebrauch der ungarischen Sprache zu intensivieren. Im Januar 1918 schlug er – zur Verblüffung des kaiserlichen und königlichen Generalstabs – auch die Aufstellung einer selbständigen ungarischen nationalen Armee vor. Was die Innenpolitik angeht, trat er für eine bedeutende Erweiterung des Wahlrechts ein und drängte auf Schritte in Richtung Demokratisierung. Am 16. Oktober 1918 gab er ein kaiserliches Manifest heraus, in dessen Sinne er die Monarchie zu einer Föderation gleichrangiger Staaten umgestalten wollte. Dieser Entwurf von ihm kam offensichtlich schon zu spät, weil der Mehrheit der nationalen Minderheiten mit Unterstützung der Entente ein selbständiger Staat außerhalb des Reiches vorschwebte. Bei seiner Thronbesteigung übernahm Karl die Macht eigentlich in einer fertigen Situation. 1917, als der Ausgang des Weltkrieges durch den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika endgültig entschieden war, gab es für die Realisierung seiner vorgesehenen Reformschritte weder Zeit, noch zeigte sich dafür Aufnahmebereitschaft. Seine Initiativen für den Abschluss von Sonderfriedens-Verträgen scheiterten der Reihe nach bei den Führern der in Kenntnis des Kriegssieges konträr interessierten westlichen Verbündeten. Sein Schicksal war im Endeffekt also durch die Staaten der westlichen Demokratie besiegelt, die die größte christliche, darunter römisch-katholische Macht Europas, zu Recht fürchteten.
In Ungarn ist man geneigt, Karl IV. aufgrund seiner Rückkehrversuche 1921 zu beurteilen und sein Wirken als totales Scheitern zu charakterisieren. Das wichtigste Ziel des Abends ist es, dieses Bild anhand zumeist nicht allgemein bekannter Fakten zu verändern.