Im Zeichen der Pietät und des Andenkens an die politischen Gefangenen und Zwangsarbeiter, die in die Sowjetunion verschleppt wurden, muss auf demSzabadság-Platz im Budapester V. Bezirk ein Denkmal aufgestellt werden. Darüber einigten sich sämtliche Teilnehmer der öffentlichen Debatteam 13. Oktober 2015 aus Anlass des Gedenkjahres der in die Sowjetunion verschleppten politischen Gefangenen und Zwangsarbeiter. Unter ihnen waren als Mitglieder des Gulag-Gedenkkomitees der ehemalige Ministerpräsident Péter Boross, Vorsitzender der öffentlichen Stiftung für die Freiheitskämpfer, des Nationalen Komitees für Gedenkstätten und Pietät sowie des Beratergremiums des VERITAS Instituts für Geschichtsforschung. und Sándor Szakály, Generaldirektor des Instituts.
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Gemäß der Ankündigung Zoltán Balogs hat der gesellschaftliche Dialog begonnen. Eine seiner Stationen war das öffentliche Gespräch am 13. Oktober 2015. Während dieses Forums des Gulag-Gedenkkomitees verwies Péter Boross darauf, dass die Idee des Denkmals schon in der Zeit der Antall-Regierung aufgeworfen wurde. Das Kabinett stand allerdings unter großem Druck, so dass die Idee im Endeffekt nicht realisiert werden konnte. Er meinte: Auch heute ginge es nicht. Kürzlich erhielt er vom Historiker György Haraszti, einem anderen Mitglied des Beratergremiums des VERITAS Instituts, die Beschreibung und die Geschichte des Szabadság-Platzes, auf deren Grundlage er schließlich den Ort für akzeptabel halte, einen anderen jedoch auf der György-Dózsa-Straße, konkreter den, wo einst die Stalin-Statue stand, für besser erachtet. Oder die Errichtung anstelle der „von niemandem (sprich: vor allem den »alten« 56ern – der Red.) gemochten Komposition (»eiserne Pantoffeln«), deren Abbau ein ewiges Thema ist.” Der ehemalige Ministerpräsident setzte sich schließlich dafür ein, dass das Denkmal – falls es auf dem Szabadság-Platz aufgestellt wird – lediglich zum Ausdruck bringen soll, was wir unseren Vorgängern schulden. Er meinte, es solle ein wahres, ein repräsentatives Denkmal entstehen, das in Größe und Erscheinungzu dem Ort passt. Ein Hauptmotiv und seine Nebenfiguren sollten in ihren Proportionen und Figuren die Leiden des Kriegsgefangenen, des „malenkij robot”, der schwäbischen und anderen zivilen Verschleppten, jenes bittere Schicksal zum Ausdruck bringen, das uns das 20. Jahrhundert auferlegte.
Sándor Szakály betonte, diese Ereignisse der Geschichte unseres Landes im 20. Jahrhundert seien unumgehbar, es sei die Pflicht der Nation, der Opfer zu gedenken. Auch nach Ansicht des Geschichtsprofessors gehöre dieses Denkmal auf den Szabadság-Platz, denn – bei Achtung der unterschiedlichen Auffassungen und Meinungen – stehe dort das sowjetische Denkmal (wie auch in Wien). Auf dem an Skulpturen reichen Szabadság-Platz ist auch eine Statue des amerikanischen Generals Bandholtz zu finden, der die Plünderung des Ungarischen Nationalmuseums 1919 verhinderte und dadurch unsere nationalen Schätze rettete.Der Generaldirektor verwies darauf, dass einst auf dem Platz ein Trianon-Denkmal und die Landesfahne standen, die an Unrecht und Revision erinnerten. Nach dieser Logik weitergedacht: Hätte es kein Trianon gegeben, hätte man uns nicht in den Weltkrieg hineingezogen, dann wären keine Deutsch-Nazi-Besatzung und die damit verbundene eingeschränkte Souveränität eingetreten, es hätte nicht zur sowjetischen Besatzung und zu deren grausamen Folge, dem Gulag, kommen können. Sándor Szakály betonte: Einem jeden Toten gebühren Pietät und Erinnerung, das Hauptziel sei die Heilung einer offenen Wunde. Mit zentraler Hilfe könne jede Ortschaft gedenken (Denkmäler, Gedenkstätten, Namenslisten von Opfern, Publikationen usw.)
Die Vertreter der am Gulag-Gedenkkomitee beteiligten Organisationen machten ihre Standpunkte ebenfalls bekannt. Erzsébet Menczer, Vorsitzende der Organisation der in der Sowjetunion Gewesenen Ungarischen Politischen Gefangenen und Zwangsarbeiter, (Ung. Abk. SZORAKÉSZ) hob hervor: Die Ehrenbezeigung vor den über 800.000 Opfern, die etwa 40 % der ungarischen Familien betrafen, sei nationale Pflicht. Und da dies der letzte Moment für uns sei, folgten wir im allgemeinen Einvernehmen dem Beispiel der Initiative der Leute um den anwesenden Gábor Tóth, die die Einheitliche Israelitische Glaubensgemeinde in Ungarn (ung. Abk. EMIH) vertreten. Ihre mobilisierende Losung lautet: „Sag es deinen Söhnen!” SZORAKÉSZ macht seit einem Vierteljahrhundert auf die Erforschung des Schicksals der Verschleppten, der Opfer, auf die Wahrung ihres Andenkens aufmerksam. (Ihr Vater, Gusztáv Menczer, hatte als Erster das Schweigen gebrochen.) Die Frau Vorsitzende unterstrich: Sie wollen weder Abbau, noch einen Denkmalspark, sie fanden einen Ort auf dem Szabadság-Platz für dieses Denkmal; die vier Seiten des vorgesehenen Obeliskes sollen die verschiedenen Leidensformen der Gulag-Höllen darstellen, und davor soll eine Karte von Groß-Ungarn stehen, auf welcher die Zwangslager verzeichnet sind.
Réka Földváry-Kiss, Vorsitzende des Nationalen Gedenkkomitees, betonte die seelisch befreiende Wirkung des Aussprechens von Traumata und Tabus, die Festigung der Schicksalsgemeinschaften von Generationen, indem sie sagte: Dabei sei das gemeinsame historische Andenken eine große Möglichkeit. Tamás Stark, Hauptmitarbeiter des Geschichtswissenschaftlichen Instituts der Fakultät für Geisteswissenschaften der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, (ung. Abk. MTA BTK), würde den Kreis der Opfer auf die gesamte Epoche und den geografischen Schauplatz der sowjetischen Besatzung ausweiten. Er zitierte György Dupka aus der Karpato-Ukraine, der darauf drängt, eine Bestandsaufnahme über die Opfer nationaler Minderheiten zu machen. Zugleich warnte er vordem Entstehen einer nationalen Märtyrologie. Zalán Bognár, Vizevorsitzender der Internationalen Gesellschaft der Gulagforscher warf auf, dass man nicht nur an die Gulags, sondern auch an den malenkij robot (ursprünglich: malenkaja rabota, d.h. ‚kleine Arbeit’) denken soll, die Ausdruck für die Epoche ist. Den Opfern dieser Gräueltaten müsse in unserem Land – wie in Szolyva (heute: Swaljawa) in der Karpato-Ukraine – ebenfalls ein Denkmal gesetzt werden, konkret am Budapester Josefstädter Bahnhof.
György Földes, Generaldirektor des Instituts für Politikgeschichte, erklärte sich mit dem Vorschlag über die Schaffung eines Denkmals zum Gedenken an die Verschleppten und Erniedrigten einverstanden, den Schauplatz hingegen lehnte er ab. Zu mehreren weiteren Punkten formulierte er seine Einwände.
Sándor Szakály stimmte mit ihm in der Hinsicht überein, dass die Frage mit geeigneter Vielfalt der Vergangenheitsbewältigung zu behandeln sei. Allerdings könne es keine Diskussion darüber geben, dass der Opfer zu gedenken sei. Szakály erklärte: „Nicht wir sind die Entscheidungsträger.” Auch über dieses Denkmal könne die Regierung das letzte Wort sprechen. Die Überlebenden und die Mitglieder des Gulag-Gedenkkomitees brachten ihren Standpunkt zum Ausdruck: Ein würdiges monumentales Denkmal soll das pietätsvolle Gedenken an die Opfer der sowjetischen Besatzung auf dem Szabadság-Platz wahren.
OSZTT