Kálmán Árpád Kovács beschäftigt sich seit Anfang des Sommersemesters 1998 mit der Rolle des österreichischen Staatsrates in der Ungarnpolitik der 1770er-Jahre. Die interessanten Züge und verborgenen Herausforderungen des Themas fasste er wie folgt zusammen:
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„Da der entscheidende und wichtigste Teil des Aktenbestandes des Organs 1945 vernichtet worden war, musste ich grundsätzlich den Quellenwert und die Nutzbarkeit der Protokolle des Staatsrates als Quellen aus der Sicht der Ungarnpolitik des Wiener Hofes untersuchen.Wenn für Blümegen, der durch Győző Ember als Ungarn-feindlich und vor allem Böhmen gegenüber als voreingenommen charakterisiert wurde, Borié tatsächlich ein Gegengewicht bildete, musste sein Ausscheiden nach meiner damaligen Hypothese in der Wiener Ungarnpolitik gegenüber der Religionsproblematik eine spürbare Akzentverschiebung hervorrufen, die sich auch in den Protokollen des Staatsrates widerspiegelte. Wie habe ich mich dennoch dauerhaft für die religionspolitischen Forschungen engagiert? Im Winter 1998, in der Vorbereitung auf meine Dissertation, bin ich darauf gekommen, dass ich mein Thema Die Ungarnpolitik des Staatsrates 1771-1772 einengen muss. Schließlich entschieden mein Interesse und meine bereits vorhandenen Erfahrungen in religionspolitischen Forschungen. Im Sommer 2008 habe ich dann meine Doktorarbeit mit dem Titel „Das System der siebenbürgischen Religionspolitik in den Jahren 1760-1770” auch verteidigt. Im Sommer 2012, nach der Regelung des Nachlasses von Győző Ember, konnte ich endlich das Manuskript seiner Großmonografie „Der österreichische Staatsrat 1761-1768” in die Hand nehmen. Ich konnte nicht wissen, ob es die Arbeit meiner vorangegangenen vierzehn Jahre nicht auf einen Schlag zunichtemacht. Schließlich konnte ich dieses Werk dennoch beruhigt beiseitelegen. Győző Ember nämlich blieb ungeachtet aller fachlichen Entwicklung bei den Meinungen, die sich in den Voten des Staatsrates widerspiegelten. So benutzte er auch am Ende seines Lebens nur die Kopfleiste der Protokolle, die Bedeutung des weiter unten notierten Entscheidungsteiles hatte er nicht verstanden. Lag doch die entscheidende politische Rolle des Staatsrates nicht in der individuellen Meinung der Mitglieder, sondern in deren Darlegung im Beisein des Herrschers und des Thronfolgers und in der Abstimmung der abweichenden Meinungen. Die endgültige Zusammenfassung dieser Verhandlungen war nicht die Resolution des Herrschers selbst, die wir einer gesonderten Untersuchung unterziehen können, und zwar anhand eines Vergleiches mit den begutachteten Schriftstücken, der Verfolgung des internen Berufungssystems in den Protokollen des Staatsrates und der verfügbaren Votumfragmente. In meinem vorgesehenen Vortrag stelle ich diese Rekonstruktionsmöglichkeiten an der Gruppe der Kongrua-Angelegenheiten dar, die mit den Missions- und Zehentsachen, mit der Politik der Religionsunion und dem Fragenkomplex der politischen Realitäten zusammenhängen. Letzterer bedeutete die hohe Bevölkerungszahl der nicht-katholischen Konfessionen, ihre gesellschaftliche Einbettung und die legitimen Garanten ihres Wirkens, aber darüber hinaus kam auf den Grenzgebieten eine Art antikatholischer praktischer Zusammenarbeit zum Vorschein, die die katholisch geprägte Staatsmacht durch Gewährung erhöhter materieller Zuwendungen auszugleichen bemüht war. Der Fall geriet 1773 auf niedrigere Amtsebenen, und all dies wurde durch eine Verfügung vom Gubernium von 1777 abgeschlossen (Ausmessung einer steuerfreien Landzuweisung – canonica portio –, die vor allem die Lage der Unitus-Priester erleichterte). Die siebenbürgische Kongrua-Angelegenheit der anerkannten Religionen übte zusammen mit den vom (Luzitanen) Religionsfonds aufrechterhaltenen römisch-katholischen und den vom König des Banats gegründeten (schwäbischen) Pfarren auch auf das engere Ungarn eine große Wirkung aus. Die Forderungen der der reformierten Hierarchie-(Seelsorger-)partei aus den Jahren 1790-1791 hätten im Wesentlichen eine Kongruapolitik mit Staatshilfe bedeutet, wie sie im Fall der ruthenischen und rumänischen Priester in Siebenbürgen, im Banat und in Oberungarn bereits funktioniert hatte.